Der Elsflether Kapitän Paul Friedrich August Wurthmann
Eine Lesung des Historikers Dr. Heiko Herold im Kahnschifferhaus
Die Vorstandsvorsitzende Rosemarie Dietrich begrüßte am 3. August 2021 um 19:00 Uhr Dr. Heiko Herold, Historiker und Autor des Buches:
“Paul Friedrich August Wurthmann, Vom Elsflether Schiffskapitän zum Pionier der Dampfhochseefischerei“
Für den Heimatverein war es die erste Veranstaltung nach eineinhalb Jahren Corona-Pause. Unter Einhaltung von Schutz- und Hygieneregeln hatten sich nun wieder 20 interessierte Mitglieder des Vereins sowie 3 Gäste im Kahnschifferhaus eingefunden.
Dr. Heiko Herold stellte sich zunächst selbst vor und berichtete dann von seinen Recherchen zu dem Buch und seinem Besuch in unserem Archiv.
Er ist promovierter Historiker und Medienwissenschaftler. Seine Forschungs- und Interessengebiete sind Kolonial- und Marinegeschichte, Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts sowie Schifffahrts- und Wirtschaftsgeschichte Norddeutschlands.
Dr. Heiko Herold ist aber auch der Ururenkel von Paul Friedrich August Wurthmann und hat erstmals die Biografie des Schiffskapitäns wissenschaftlich aufgearbeitet.
Paul Friedrich August Wurthmann (1837 bis 1898) fuhr als Elsflether Kapitän rund 30 Jahre auf oldenburgischen Auswanderer- und Frachtseglern auf fast allen Weltmeeren. Auch nach dem Wechsel an Land blieb er, in Bremerhaven wohnend, der Schifffahrt treu. Zunächst als Betriebsdirektor bei der Bugsiergesellschaft „Union“, der seinerzeit größten Schleppschifffahrtsgesellschaft auf der Weser. Später spielte Wurthmann eine wichtige Rolle in der Dampfhochseefischerei und der aufstrebenden Seefisch-Wirtschaft an der Unterweser im Deutschen Reich vor dem Ersten Weltkrieg.
Der Bezug zu Farge und der Grund seiner Suche in unserem Archiv ergab sich für Dr. Heiko Herold durch die Heirat von Paul Friedrich August Wurthmann mit Mathilde Catharina Hashagen im Jahre 1879. Mathilde Hashagen stammte aus Farge und war die Tochter einer bekannten Kapitänsfamilie.
In seiner Lesung nahm Heiko Herold diese Heirat von Paul Friedrich August Wurthmann mit Mathilde als Einführung auf und erläuterte, dass die Familie Hashagen keine unbekannten in der Schifffahrt waren. Sowohl der Vater von Mathilde, Nicolaus Friedrich Hashagen als auch ihr Großvater, Claus Hashagen, waren damals Schiffskapitäne aus Farge und sind jahrzehntelang auf hannoverschen, bremischen und oldenburgischen Seeschiffen gefahren. Teilweise lässt sich die Geschichte der Familie Hashagen in unseren Archivunterlagen wiederfinden.
Dr. Heiko Herold stellte dann zwei besondere Seereisen des Seglers „Ingo“ vor. Diese Bark war Anfang 1875 auf einer Werft in Oberhammelwarden gebaut worden und P. F. A. Wurthmann hatte Anteile daran erworben.
Die erste Geschichte betraf die Fahrt der „Ingo“ nach Iquique in Peru, um dort Salpeter zu laden. Dem Kapitän und der Mannschaft bot sich dort allerdings ein schrecklicher Anblick der Küstenregion und der Stadt, denn ein Jahr zuvor war es durch ein Erdbeben an der Küste zu einem verheerenden Tsunami gekommen und dieser hatte die Region fast vollständig zerstört. Die nur noch begrenzt vorhandene Infrastruktur zur Verladung des Salpeters sowie die besondere Gefährdung, die vom Salpeter als Ladung ausging, machte die Reise zurück um Kap Horn nach Europa zu einer besonderen Herausforderung. Darüber hinaus bestand bei dieser Fahrt die Notwendigkeit für die Schiffbesatzung, einen Gesundheitspass beim dortigen Konsulat zu beschaffen, weil in der Region immer wieder die Beulenpest auftrat. Dr. Heiko Herold kam bei der Beschreibung der damaligen Verhältnisse auch auf Parallelen zur heutigen Pandemie zu sprechen.
Die zweite Geschichte war eine sehr plastische Beschreibung einer beschwerlichen Reise zurück aus der Südsee nach Spanien und Frankreich, bei der die „Ingo“ mehrere Stürme durchfuhr. Das Schiff wurde dabei so stark beschädigt, dass größere Leckagen im Schiffsrumpf fast zu einer Katastrophe geführt hätten. Am Ende der Fahrt konnte Kapitän Wurthmann die Ladung Kopra (zerschnittenes und getrocknetes Kokosfruchtfleisch für die Margarine- und Seifenproduktion sowie zur Herstellung von Nitroglycerin) nach Abwägung aller Risiken für Schiff und Mannschaft sowie einer provisorischen Reparatur in Spanien in Marseille (Frankreich) abliefern.
Dr. Heiko Herold beschrieb in dieser Lesung die Herausforderungen der damaligen Segelschifffahrt sehr bildhaft und man konnte in Gedanken die verschiedenen Törns seines Urgroßvaters auf der „Ingo“ mit all ihren Problemen gut nachvollziehen. Aufgrund der detaillierten Recherche zu diesen Reisen liefert das Buch in diesem ersten Teil auch jede Menge Informationen zu den Segelrouten, den Ladungen und Problemen, die damit verbunden waren.
Die Zeit, als Paul Friedrich August Wurthmann dann als Betriebsdirektor für die Schleppschifffahrt sowie für die Dampfhochseefischerei verantwortlich tätig war, hat Dr. Heike Herold nicht mehr im Detail vorgestellt. Dies wäre wahrscheinlich eine weitere Lesung wert gewesen.
Autor: Jörg Bolz