Lesung des Autors Bernd F. Gruschwitz im Kahnschifferhaus

Von Jörg Bolz, Fotos: Claudia Wrobel

Am 13. Juni fand im Kahnschifferhaus wieder einmal eine Lesung statt. Zu Gast war Bernd F. Gruschwitz, Jahrgang 1945, der als Verfasser und Fotograf von nationalen und internationalen Reiseführern tätig und weit in der Welt weit herumgekommen war. Im Jahr 2022 trat Gruschwitz der Literaturpforte im Doku Blumenthal bei und widmete er sich nun als Schriftsteller der schönen Literatur und Kurzgeschichten. Mit seiner Lesung im Kahnschifferhaus präsentierte er einen Streifzug durch sein literarisches Schaffen. Insgesamt hatte Bernd Gruschwitz acht Geschichten mitgebracht.

Die Eingangsgeschichte mit dem Titel „Die rote, schwarz getüpfelte Pantherhose“ ist eine Art innerer Monolog eines eher kleinkarierten Reisenden, der in seiner Unterkunft in Goa (Indien) eine seiner frisch durchgewaschenen, älteren Unterhosen vermisst und vorurteilsbehaftet vermutet, ein einheimischer Angestellter der Wohnanlage habe sie sich unter den Nagel gerissen.

Weiter ging es mit „Nelsons rechter Arm“. Diese Geschichte stammte aus seinem Teneriffa Reiseführer und beschreibt den Angriff der englischen Flotte auf den Hafen von Santa Cruz de Tenerife, bei dem Nelson an seinen rechten Arm so verwundet wurde, dass er ihm abgenommen werden musste. Der Clou der Geschichte war, dass der Seebär die Amputationssäge als zu kalt empfand, weswegen von da an auf englischen Schlachtschiffen Kohleöfchen bereitstehen mussten, um das Amputationsbesteck anzuwärmen. Ein ganz anderes Thema war dann die Erzählung aus der Schulzeit in den späten 1950ern und frühen 60ern „Die Ära der Wasserbomben“. Sie erzählte von mit Wasser gefüllten Plastikbeuteln, die von angehenden Abiturienten auf jüngere Mitschüler geworfen wurden und welche Folgen aus diesen Missetaten resultierten. Nebenbei war in der Geschichte auch eingefangen, in welchem Verhältnis die Schüler zur Institution Schule und vice versa standen.

Es folgte eine Kurzbiografie aus dem Chicago-Bändchen von Gruschwitz „Al Capone“. Er zeichnete die „Karriere“ Al Capones in der Zeit der Prohibition nach und wie er gegen Ende seines Lebens wegen seiner ungewöhnlichen Empfindsamkeit gegenüber einer möglicherweise heilenden Spritze an deren Ablehnung festhält.

Nach einer kurzen Pause folgte eine kürzere Geschichte mit dem Titel „Die Panne vor dem Anpfiff“, die eine autobiographische Begebenheit wiedergab. Die umstandslose Hilfe zweier junger afghanischer Männer bei einer Reifenpanne ermöglichte es Bernd Gruschwitz und seiner Freundin kein Tor des legendären 1:7 der deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien zu versäumen.
In Anlehnung an sein Bremen-Buch „111 Orte in Bremen, die man gesehen haben muss“ hatte Bernd Gruschwitz „111 Bremer Haikus“ mit lokalen und regionalen Beobachtungen nach dem Muster japanischer Haikus (eine spezielle Form von Gedichten) verfasst. Nach einer launigen Einführung trug er in der Lesung einige von ihnen vor.

Den nächsten Beitrag führte er mit den Worten ein, er sei „inoffizieller Vertreter des französischen Feminismus in Deutschland“. Dies war nicht so ganz bierernst gemeint. Aber seine ersten fünf Kurzbiografien für den Frauenkalender waren französischen Frauen gewidmet, die sich in der Vergangenheit für die Belange und Rechte von Frauen eingesetzt hatten. Einen Beitrag aus dem Kalender über George Sand, einer französischen Schriftstellerin, die sich durch ihre Lebensweise und mit ihren Werken für feministische und sozialkritische Ziele einsetzte, las er vor.

Die letzte Geschichte des Abends hieß „Es begann in einer Winternacht“ und hatte einen realen Kern. Ein wegen Mordes verurteilter Mann hatte sich tatsächlich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis eine Nacht in der Dachkammer von Gruschwitz’ Behausung aufgehalten, um einer weiteren Übernachtung in der Kälte im Freien zu entgehen. Die weitere Einbettung der Geschichte war dann allerdings frei erfunden.
Nach fast zwei Stunden ging ein sehr unterhaltsamer Abend mit erkennbarem und konzentriertem Interesse der Zuhörer zu Ende. Dass seine Ausführungen von unerwartet zahlreichen Gästen verfolgt wurden, freute Bernd Gruschwitz sehr. Er war von der wunderbaren Atmosphäre, die das Kahnschifferhaus ausstrahlte, sehr angetan.

Leider sind alle seine Geschichten und auch die Haikus bisher nirgendwo veröffentlicht. Er stehe aber in Verhandlungen mit drei Verlagen, sodass in naher Zukunft der ein oder andere anwesende Zuhörer darauf gespannt sein kann, die Geschichten im Buchhandel zu finden.