Ausstellung „Die Steingutfabrik Witteburg“

Aus Anlass der Ausstellung über ein ehemals bedeutendes Unternehmen in Farge hat der Heimatverein Farge-Rekum e.V. erstmals eine begleitende Broschüre herausgebracht.
Durch die Umwandlung des Ortes Farge von einem Bauern- und Schifferdorf zu einem Industrieort ergab sich ein Zuwachs der Bevölkerung und dadurch auch der Bedarf an kommunalen Einrichtungen. Hier ist insbesondere die Schaffung eines „Consum-Vereins“ für die Beschäftigten der Witteburg zu nennen. Darüber hinaus entstand der Männergesangverein „Orpheus“, der bis zum heutigen Tage besteht.
Aber auch das Verkehrs- und Postwesen ist hier zu nennen. Neben anderen Industriefirmen nördlich der Lesum war die Witteburg maßgeblich an der Gründung der „Farge-Vegesacker-Eisenbahn“ beteiligt.

Aus der „Norddeutschen“ vom 12.5.2014:
In der Verbotenen Stadt in Peking sind Wandfliesen aus der Farger Steingutfabrik Witteburg entdeckt worden.
Im Kaiserpalast in Peking sind Fliesen aus der Steingutfabrik Witteburg in Farge entdeckt worden. Sie schmücken die Wände eines Pavillons. Für den Heimat- und Museumsverein Vegesack und Umgebung, der im Schloss Schönebeck die Witteburg -Sammlung hütet, ist das eine kleine Sensation. Am Sonnabend hatte das Museum Besuch von einem Architekten, der für ein chinesisches Forschungsprojekt Informationen über den Fliesenfund sammelt.
Schönebeck. Sie gilt als Meisterwerk der chinesischen Architektur, ist seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe und gehört für jeden Peking- Touristen zum Pflichtprogramm: die Verbotene Stadt, auch Kaiserpalast genannt. 1406 bis 1420 von einem Millionenherr von Arbeitern erbaut und in den folgenden Jahrhunderten immer: wieder erweitert, ist der frühere Herrschersitz der chinesischen Kaiser der Minq-vund, Qing-Dynastien heute ein riesiges Museum auf 720000 Quadratmetern mit 890 Palästen und unzähligen Pavillons.
Einer davon ist der Kristall-Pavillon im inneren Palasthof. Hier haben chinesische Forscher jetzt einen ungewöhnlichen Fund gemacht, der im Tausende von Kilometern entfernten Museum Schloss Schönebeck für Aufregung sorgt. Bei der Vorbereitung eines Forschungs- und Restaurierungsprojektes sind im Kristall-Pavillon Wandfliesen aus der ehemaligen Farger Steingutfabrik Witteburg entdeckt worden. Für Holger Schleider, Vorsitzender des Heimat-und Museumsvereins Vegesack und Umgebung, eine kleine Sensation. Im Schloss Schönback hütet der Verein Erzeugnisse aus der Keramikmanufaktur, die von 1853 bis 1953 in Farge auf dem Gelände des heutigen Kraftwerkes Geschirr und Fliesen aus Steingut produzierte.
„Bisher sind Fliesen immer nur in der heimischen Region, vor allem in Vegesack und Farge aufgetaucht“, sagte Schleider. Der Fund im fernen China sei der erste im Ausland. Und dann noch im Kaiserpalast. „Das ist schon sehr beeindruckend“, betonte der Vorsitzende. Am Wochenende hatte er Besuch von einem Architekten aus Grünstadt in der Pfalz. Shaochen Wei, ein gebürtiger Chinese, hatte Ende März Kontakt zum Schloss Schönebeck aufgenommen. Im Auftrag eines Forschungsteams vom Fachbereich für Archäologie und Museumskunde der Universität Peking, das gemeinsam mit dem Palastmuseum den Kristall-Pavillon erforschen und ein Restaurierungskonzept erarbeiten soll, sammelt der Architekt Informationen über den Witteburg-Fliesenfund. Bei seinen Recherchen im Internet stieß er auf das Museum Schloss Schönebeck mit seiner Witteburg-Sammlung.
Mit dem Bau des Kristall-Pavillons sei 1909 begonnen worden, erklärte Wei bei seinem Besuch im Schloss. „Durch den Sturz des Kaisertums 1911 wurde er nie fertiggestellt.“ Der rund 25 Meterlange, 18,5 Meter breite und 14,6 Meter hohe dreigeschossige Bau sei im Vergleich zu den großen Palästen eine Miniatur. Auf einem Unter- und Erdgeschoss aus Stein thront ein Obergeschoss mit Lauben aus einer Gusseisen-Glas- Konstruktion. „Daher kommt der Spitzname Kristall-Pavillon. Eigentlich heißt das Gebäude Lingzhao Xuan, „Pavillon zum Nimbus-Weiher“, so Wei. Ein Pool umgibt-den Bau. „Es sollte ein Aquarium werden.“ Aus Fenstern im Untergeschoss hätten die Höflinge den Fischen im Wasser zusehen können. „Der Pavillon ist einer der ganz wenigen Architekturen in der Kaiserpalast-Anlage, die mit europäischer Technik errichtet wurden“, sagte der Architekt. Ebenso ungewöhnlich wie der Einsatz von Stahl sei die Verarbeitung der Witteburg-Wandfliesen im Pavillon, Dass die Fliesen aus der Farger Manufaktur stammen, verrät nicht nur ein Stempelzeichen auf der Rückseite. „Witteburg Farge“ ist dort in Ton eingebrannt. Verschiedene eher schlichte Blumen-Dekore finden sich Innern des Pavillons. Die Fliesenmuster aus Peking finden sich im originalen Seidenpapier-Musterbuch der Witteburg, das Wei im Museum einsehen konnte, und in einem Katalog des Heimatvereins wieder.
Holger Schleider erläuterte: „Anhand des nummerierten Musterbuches kann man die Fliesen in etwa auf die Zeit kurz nach 1900 datieren.“ Für Wei gibt es noch viele offene Fragen. Die wichtigste: Warum gerade Fliesen aus der Witteburg und wie fanden sie ihren Weg in den Kaiserpalast? Eine Frage‘, die auch Schleider beschäftigt. „Auf dem Fliesensektor waren damals die Engländer führend. Die Fliesenproduktion in Farge war im Aufbau und auch nie ein Schwerpunkt. Der lag auf der Herstellung von Hohlgeschirr. “
Witteburg-Exporte innerhalb Europas. nach Indien, Argentinien, Brasilien und Mexiko sind bekannt. Von China habe man erst jetzt durch den Fund im Kaiserpalast erfahren. Wei und Schleider halten es für unwahrscheinlich, dass der Kaiserhof selbst in Farge bestellt hat. „Diese Fliesen sind eine sehr spezielle Bestellung. Das lief vermutlich über Zwischenhändler oder private Beziehungen“, mutmaßt Wie. Viele deutsche Ingenieure arbeiteten damals in China. „Vielleicht empfahl einer die Witteburg“, spekuliert der Chinese aus Grünstadt.
VON GABRIELA KELLER