Die Rabattmarken des Kaufmanns Johannes Mohr aus Rekum
Von Markus Klemke
Neben staatlichen Zahlungsmitteln existierten schon seit Jahrhunderten Geldersatzmarken, in großen Mengen kamen sie im Geschäftsleben jedoch erst ab 1860 zum Einsatz (Menzel 2022, 15). Aus Farge sind vor allem die Marken des Consum-Vereins bekannt, der zunächst nur Angestellten der Steingutfabrik Witteburg offenstand. Im Unterschied zu Geldersatzmarken dienten die Marken des Consum-Vereins Farge den Vereinsmitgliedern als Zahlungsbelege. Beim Einkauf erhielt man Marken in Höhe des Rechnungsbetrages. Am Jahresende erhielt man gegen Vorlage der Marken eine Rückvergütung, die 1880 bei 14,5 % lag (Gnettner 1985, 66). Die Marken des Consum-Vereins bestanden zunächst aus Steingut, später aus Messing.
Metallmarken brachte auch der Kaufmann Johannes Lafrenz Mohr (* 16.2.1849, † 28.7.1915; Abb. 1) aus Rekum in Umlauf. Sie trugen Wertangaben in Mark („Gut für 1 (5, 10) Mark“), was eine ungefähre Datierung erlaubt, denn ab 1886 durften Wertangaben mit Mark oder Pfennig nicht mehr auf Wertmarken verwendet werden, um Verwechslungen mit Reichsmünzen auszuschließen (Menzel 2022, 16). Die Marken von J. Mohr müssen somit vor 1886 geprägt worden sein.
Johannes Mohrs Geschäft befand sich in einem 1859 erbauten Haus, das sein Vater Peter Mohr 1874 gekauft hatte. Es handelt sich um das Haus in der Rekumer Str. 29 (Abb. 2 u. 3). Der Geschäftsbetrieb lässt sich ab 1880 belegen, zu dieser Zeit wurden Kurzwaren und Weißwaren verkauft. Ab Oktober 1885 gehörten auch Versicherungen zum Angebot. Im September 1888 übergab Peter Mohr das Haus seinem Sohn Johannes, der im darauffolgenden Jahr einen großen Anbau ausführen ließ. Neben seiner Geschäftstätigkeit engagierte sich Mohr auf verschiedenen Ebenen in der Dorfgemeinschaft, so war er z. B. als Aktionär an der Farge-Vegesacker Eisenbahn beteiligt. Außerdem wurde er 1890 der erste 1. Vorsitzende des neu gegründeten Turnvereins Rekum. Im Oktober 1902 wurde er Mitglied der Guttemplerloge in Rekum. Aus dem Text im Briefkopf einer auf 1909 datierten Rechnung geht hervor, dass Mohr zu dieser Zeit ein breites Sortiment anbot: Betten, Bettzeug, Gardinen, Teppiche, Anzüge, Kinderwagen, Wasch- und Nähmaschinen konnte man ebenso erwerben wie Glas-, Porzellan- und Emaillewaren oder „Bücher für Gesundheitspflege“. Sein Geschäft verpachtete er 1912 an seinen Schwiegersohn Hans Jäger (Hausakte Rekumer Straße 29, Heimatverein Farge-Rekum).
Da keine schriftlichen Hinweise vorliegen, ist es schwierig zu beurteilen, welche genaue Funktion die Marken hatten. Es kann nur vermutet werden, dass die Marken um 1880 bei der Geschäftsgründung oder kurz danach angeschafft wurden. Die für damalige Verhältnisse relativ hohen Werte von 1, 5 und 10 Mark lassen daran denken, dass es sich – wie bei den Marken des Consum-Vereins – ebenfalls um eine Art Rabattmarken handelte, die allerdings in einer anderen Art und Weise verwendet wurden. Aus der gleichen Zeit sind sowohl runde metallene Rabattmarken als auch rechteckige größere Pappmarken aus hartem Karton in sehr ähnlichen Wertstufen bekannt, welche die Kunden bei ihren Einkäufen jeweils im Wert des Kaufbetrages erhielten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde dann ein Rabatt, zu dieser Zeit und oft auf diesen speziellen Rabattmarken auch angegeben, meist in der Höhe von 5 Prozent gewährt und beim nächsten Einkauf verrechnet oder bar ausgezahlt. Für eine Marke zu 1 Mark erhielt man daher 5 Pfennige, für eine Marke zu 10 Mark bereits 50 Pfennige. Da in dem Geschäft wohl keine verzehrbaren Speisen oder Getränke verkauft wurden, scheidet, auch aufgrund der hohen Wertstufen, eine Verwendung als Speise- oder Getränkemarken eher aus – siehe auch Anmerkung 1) am Ende des Textes.
Mohrs Marken im Wert von 1 Mark bestanden aus Messing. Beschrieben sind zwei verschiedene Ausführungen, eine trägt den Schriftzug „J. MOHR REKUM-FARGE“ vierzeilig auf der Vorderseite, die zweite Variante weist nur drei Zeilen auf, REKUM-FARGE ist hier in einer Zeile in einem Bogen geschrieben (Schmidtsdorff 1999, 150). Zusätzlich trägt die dreizeilige Variante ein Symbol aus vier Rauten auf der Vorderseite, das in identischer Form auch auf den Messingmünzen des Consum-Vereins Farge auftaucht. Dieses Symbol zeigt an, dass die Marken in der Prägeanstalt von Ludwig Christoph Lauer in Nürnberg geprägt wurden (s. Abb. 4) – siehe auch Anmerkung 2) am Ende des Textes.
Außerdem wurde auch eine Marke im Wert von 5 Mark herausgegeben, die aus Zink bestand und sich in einer Privatsammlung befindet (s. Menzel 2022, S. 5626). Die Existenz einer Marke im Wert von 10 Mark wird bei Schmidtsdorff noch angezweifelt, weil sie sich lediglich auf eine ältere handschriftliche Notiz stütze. Belegt wurde ihre Existenz jedoch mit der Ausgabe Mai 2010 der Zeitschrift „Münzen & Sammeln“. Auf S. 67 war hier ein kupfernes Exemplar der 10-Mark-Variante abgebildet. Die Vorderseite entspricht der dreizeiligen Variante im Wert von 1 Mark mit den vier Rauten. Leider ließ sich beim Verlag nicht mehr ermitteln, aus wessen Sammlung das gezeigte Exemplar stammt.
Obwohl die Marken von J. Mohr sicherlich selten sind, konnte vom Verfasser kürzlich ein Exemplar im Wert von 1 Mark erworben werden (Abb. 5). Die Vorderseite entspricht der bekannten Variante mit dreizeiliger Schrift, dem Rautensymbol und „REKUM-FARGE“ im Bogen. Die Rückseite weicht jedoch in feinen Details von der bereits in der Literatur beschriebenen Marke ab. Die Schrift weist eine geringere Höhe auf, der Schrägstrich der Zahl 1 ist stärker gebogen. Zudem haben die beiden Sterne auf beiden Seiten der Zahl sechs Spitzen, während die beiden bisher bekannten Marken zu 1 Mark Sterne mit fünf Spitzen tragen. Schließlich unterscheiden sich auch die Perlkreise am Rand. Auf der Rückseite der bereits bekannten Marken (mit drei- oder vierzeiliger Vorderseite) bestand er aus 79 Perlen, bei der „neuen“ Variante dagegen aus 91 Perlen.
Solche Unterschiede kamen zustande, wenn bei einer neuen Auflage andere Prägestempel, in diesem Fall also ein abweichender Rückseitenstempel, verwendet wurden. Bei der hier vorgestellten Marke im Wert von 1 Mark handelt es sich um eine in numismatischer Fachliteratur noch unpublizierte Variante.
Anmerkungen:
1) Freundliche Mitteilung von Dr. Bernd Thier aus Münster (www.bernd-thier.de / www.wertmarkenforum.de)
2) Dieser lässt sich nur indirekt nachweisen, da nur ein Teil der Marken der Prägeanstalt dieses Zeichen trägt. Es ist auch eher als charakteristisches Zierelement statt als eine versteckte Herstellerangabe zu verstehen. So tauchte es z. B. auf einer Biermarke auf, die 1934 in der Preisliste zur Musterkarte 22f für Metallmarken abgebildet ist (Privatbesitz). Keine der anderen abgebildeten Marken trägt dieses Zeichen, das auch vornehmlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert verwendet worden zu sein scheint (freundliche Mitteilung von Dr. Bernd Thier).
Literatur:
Menzel, Peter: Deutschsprachige Notmünzen und Geldersatzmarken im In- und Ausland 1840 bis 2002. Dritte digitale Ausgabe, Selbstverlag, Münster 2022. Kostenloser Download unter www.wertmarkenforum.de (Die Marken von Mohr sind unter der Nummer 26802 zu finden.)
Schmidtsdorff, Dietrich: Bremer Notmünzen und Marken. Bremer Beiträge zur Münz- und Geldgeschichte, Bd. 2. Bremer Numismatische Gesellschaft, Bremen 1999. (Mohrs Marken sind unter der Nummer J 4.1 aufgeführt.)
Münzen & Sammeln, Heft Mai 2010. H. Gietl Verlag, Regenstauf.
Gnettner, Horst: Steingutfabrik Witteburg in Farge bei Bremen. Heimat- und Museumsverein für Vegesack und Umgebung e. V., Bremen 1985.